CMD Zusammenhänge

Funktionelle Zusammenhänge einer CMD 

Zusammenhänge des Kauapparates mit anderen Bereichen des Körpers

Wenn Sie verstehen und nachvollziehen möchten, wie eine
craniomandibuläre Dysfunktion CMD zahlreiche körperliche Beschwerden hervorrufen kann, bleibt Ihnen die Betrachtung einiger grundsätzlicher Zusammenhänge leider nicht erspart. Das Verständnis dieser Zusammenhänge ist therapeutisch unentbehrlich, wenn man CMD-Patienten bei der kausalen Therapie wie in unserer Praxis in Hannover mit Physiotherapie begleitet.

Die Auflistung ist zwar schon umfangreich und dennoch nicht vollständig. Bei fehlenden medizinischen Grundkenntnissen ist vielleicht auch ein mehrfaches Lesen notwendig. Aufgrund einer patientenverständlichen Beschreibung und dem Verzicht tiefer gehender neurophysiologischer Zusammenhänge wird sich Ihnen in dem einen oder anderen Fall schon beim Lesen erschließen, wie bestimmte Symptome durch eine CMD entstehen und zugeordnet werden können.

Hier eine Übersicht möglicher betroffener oder beeinflussender Körperregionen:
  • Die Unterkieferstellung
  • Die Kiefergelenke
  • Die Kaumuskulatur
  • Die obere Halswirbelsäule und der Trigeminusnerv
  • Der Atlas - Der Trigeminusnerv und übergeordnete Sympathikusverschaltung
  • Die obere Brustwirbelsäule und der Sympathikus
  • Die Körperhaltung

Die Unterkieferstellung 

Der Unterkiefer ist durch Bänder und Muskeln schwebend aufgehängt. Diese muskulären Verbindungen gehen zum Kopf, zur Schädelbasis in Nähe des Atlas und Gehörgang und über das Zungenbein auch zu den Schulterblättern und zum Brustbein. Sofern in diesen Muskeln im Seitenvergleich unterschiedliche Spannungsmuster vorhanden sind, wird der Unterkiefer bei leicht geöffneten Mund aus seiner symmetrischen Stellung gezogen, was automatisch eine Veränderung der Kiefergelenkstellung zur Folge hat und dort unter Umständen Kompressionsdruck erzeugen kann.

Auf der anderen Seite kann sich durch die Verzahnung (Okklusion) bei geschlossenem Mund der Unterkiefer in einer asymmetrischen und/oder in einer Kiefergelenkposition befinden, in der in den Kiefergelenken Kompressionsdruck entsteht. Das wirkt sich folglich negativ auf die Muskelspannung der mit dem Bewegungsapparat verbundenen Muskeln aus und kann diese Asymmetrie in den Bewegungsapparat übertragen.

Es gibt also allein über die muskulären Verbindungen ein wechselseitiges Geschehen auf den Bewegungsapparat, in der die Wirkrichtung davon abhängig ist, ob der Mund geschlossen oder geöffnet ist.

Die Kiefergelenke

Alle Informationen die das Kiefergelenk betreffen, werden über den sogenannten Trigeminusnerv registriert und weitergeleitet. Das erfolgt über den sogenannte sensiblen Anteil des Nervs. Druck in den Kiefergelenken führt zum einen zu einer "Übererregung" des Trigeminusnerv. Darüber hinaus muss der aus dem Druck resultierende Krafteingang auf die Gelenkkapsel, die empfindliche Weichteilzone im Gelenk, den angrenzenden Gehörgang und den umgebenden Schädelknochen verarbeitet werden. Dabei sollte man sich noch mal vor Augen halten, wie viel Beißkraft pro cm² im Kiefer entfaltet werden kann.

Die Kaumuskulatur

Bei der Kaumuskulatur stehen die Mundschließer im Vordergrund, zumal sie um ein vielfaches stärker sind als die Muskulatur, die den Mund öffnet. Auf diese Mundschließer bzw. Beißmuskeln soll hier Bezug genommen werden.

Neben dem Druck in den Kiefergelenken ist die übermäßige Aktivität der Kaumuskulatur aus Sicht der Physiotherapie das zweite wichtige Phänomen einer craniomandibulären Dysfunktion. Dazu zählt sowohl die unbewusste Anspannung der Muskeln, das Zähne zusammen pressen als auch das Knirschen, was auch als Bruxismus bezeichnet wird.

Die Kaumuskeln werden von dem gleichen Nerv aktiviert, der als sensibler Anteil Informationen aufnimmt und weiterleitet. Es ist der Trigeminusnerv. Die Aktivierung der Muskulatur läuft über diesen Nerv, der als Hirnnerv bezeichnet wird, dessen Ursprung anatomisch aber im oberen Rückenmark bis zum 3. Halswirbel reicht.

Die Muskelaktivität kann durch unterschiedliche Mechanismen ausgelöst werden. Aus zahnärztlicher Sicht können das Störkontakte an den Zähnen oder durch fehlenden Kontakt eine unausgewogene Kraftverteilung auf den Zahnbögen sein.
Aus Sicht eines Psychologen oder Neurologen kann aber auch permanenter Stress oder eine fehlerhafte Stressverarbeitung verantwortlich sein, da die Kaumuskulatur über Verschaltungen im Nervensystem mit dem Gehirnareal verbunden ist, in dem Emotionen entstehen und verarbeitet werden. Das gilt es zu beachten und sollte in einer entsprechenden CMD-Therapie berücksichtigt werden.

Ungeachtet der Zähne und Psyche wollen wir uns bei der Kaumuskelaktivität auf den körperlichen Aspekt fokussieren. Pressen, Zähne zusammen beißen und Knirschen sind nur möglich, wenn der Trigeminusnerv die Muskeln aktiviert. Umgekehrt bedeutet es aber auch, dass ein übermäßig erregter Trigeminusnerv Kaumuskelaktivität zur Folge hat. Ist der Nerv über das normale Maß hinaus erregt, kann man von einem gesteigerten Reflexniveau des Trigeminusnerv sprechen. Ein geringerer Reiz als normalerweise nötig kann dann unter Umständen zu einer verstärkten Reaktion als üblich führen.

Wie kann es zu einer Steigerung des Reflexniveaus am Trigeminusnerv kommen, was ein übermäßiges und eventuell permanentes Pressen zur Folge hat ?

Wie bereits bei den Kiefergelenken ausgeführt, kann es durch permanenten Druck im Kiefergelenk zu Irritationen und dadurch zu einer Steigerung des Reflexniveaus kommen.

Der Nerv, der die Störinformation aus der Kiefergelenkkompression aufnimmt und weiterleitet ist der gleiche Nerv, der die Kaumuskulatur aktiviert. Hier kann ein Regelkreis entstehen, der sich wechselseitig verstärkt.
Entscheidend ist dabei auch, dass die Anzahl der Spannungsfühler in den Kaumuskeln um ein vielfaches höher ist als in den Muskeln des restlichen Bewegungsapparates. Nur noch in den Nackenmuskeln im Bereich des Atlas in die Anzahl der Messfühler vergleichbar hoch. Das bedeutet, dass diese Muskelgruppen zwar feiner gesteuert werden können, aber entsprechend sensibler reagieren. So kann der Regelkreis aus permanenter Muskelaktivität aufrecht erhalten werden, den es therapeutisch zu durchbrechen gilt.

Die obere Halswirbelsäule HWS

Außerhalb des Schädels befinden sich Teile des Trigeminusursprungs in der oberen Halswirbelsäule und reichen bis zum 3. Halswirbel hinunter. Sofern es in einzelnen Segmenten der Wirbelsäule zu Gelenkblockierungen kommt, führen diese Blockierungen zu Irritationen in dem innen liegenden Nervensystem und auch an den aus der Wirbelsäule austretenden Nerven. Es kann wiederum zu einer Steigerung der Reflexaktivität kommen, wie es umgekehrt auch zu einer Begleitblockierung in dem Wirbelsegment kommen kann, wenn das innen liegende Nervensystem irritiert bzw. übererregt ist. Auch hier stehen Gelenk und Nervensystem in einer wechselseitigen Beziehung zueinander. 

Die obere Brustwirbelsäule BWS 

Im Bereich der oberen Brustwirbelsäule befindet sich ein Teil des sympathischen Nervensystems, das für die vegetative Versorgung des Kopfes zuständig ist. Es ist ein eigenständiges (autonomes) Nervensystem, das Lebensvorgänge aktivierend oder dämpfend am Bewusstsein vorbei reguliert. Ein großer Teil des aktivierenden Systems Sympathikus befindet sich außerhalb, aber in unmittelbarer Nähe des gesamten Brustwirbelsäule. Häufig wird bei diesem Nervensystem die Steuerung der Organfunktion hervorgehoben, für die Therapie am Bewegungsapparat, insbesondere im Zusammenhang mit der Muskulatur, spielt es jedoch auch eine wesentliche Rolle. Der Sympathikus wird häufig auch als Flight-or-Fight Regulator bezeichnet, was seine Funktion im Bewegungsapparat vereinfacht deutlich macht. Wenn über das tagaktive normale Maß hinaus muskuläre Reaktionsbereitschaft erforderlich ist, zum Beispiel wenn Sie unter Umständen plötzlich kämpfen oder flüchten müssen, dann wird diese Bereitschaft über den Sympathikus aus der Brustwirbelsäule bereitgestellt. Eine Maßnahme wäre zum Beispiel die Weitstellung der Blutgefäße in der erforderlichen Muskulatur, um schnell eine gute Durchblutung zu gewährleisten.

Auf der anderen Seite kann es aber sein, dass der Sympathikus aufgrund eines Stressgeschehens im Körper in einem lokalen Brustwirbelsäulenabschnitt irritiert bzw. übererregt ist. Das kann bei einer mit Symptomen verbundenen CMD in der oberen Brustwirbelsäule der Fall sein. Am hilfreichsten bei der Vorstellung ist dabei das Modell, dass dieses autonome Nervensystem aufgrund seiner senkrechten Verschaltung in Schubladen organisiert ist und in jeder Schublade mehrere Bereiche des Körpers verwaltet werden. Dann wären alle zu regulierenden Systeme des Kopfes aus einer Schublade zu steuern, dazu zählt die Kaumuskulatur, das Kiefergelenk, die Kopfgelenke, die Nackenmuskulatur aber auch das Gleichgewichtssystem (bestehend aus Gleichgewichtsorgan, den Augen und den Kopfgelenken).
In unserem Modell kann Unruhe in einer Schublade sich auf alle in der Schublade verwalteten Bereiche auswirken und auch zu muskulären Verspannungen und begleitende Blockierungen in der Brustwirbelsäule führen. Diese Verspannung mit Begleitblockierungen in der BWS kann wiederum einen sich verstärkenden Regelkreis aufbauen und in alle zu regulierenden Systeme der Schublade mit Stress hineinwirken und Symptome fördern.

Der Atlas

Dem Atlas kommt bei der Betrachtung der Zusammenhänge aus mehreren Gründen eine hervorgehobene Bedeutung zu:
  • Fehlbelastungen im Kauapparat versucht das Nervensystem durch Veränderung in der Kopfposition muskulär über den Atlas zu reduzieren.
  • Fehlhaltungen und Störungen in der Körpersymetrie werden über den Atlas und die dazugehörige Nackenmuskulatur an die Kiefermuskulatur weitergeleitet.
  • Innen liegend im Rückenmark befindet sich wie schon im Bereich Halswirbelsäule beschrieben ein Teil des Ursprungs des Trigeminusnervs.
  • Über die Spannung der Nackenmuskulatur werden die Kräfte beim Kauvorgang aufgenommen und dadurch die Kiefergelenke stabilisiert. Die Spannung lässt sich tasten, wenn man die Finger beim Zusammenpressen der Zähne auf die Nackenmuskulatur legt und spürt, wie Teile der Nackenmuskulatur anspannen.
Auswirkung auf Kieferstellung und Spannung der Kiefermuskulatur stehen in einer engen Wechselwirkung zur kurzen Nackenmuskulatur, die den Atlas umgibt. Spannung der Kaumuskulatur führt zu Spannung in der Nackenmuskulatur und umgekehrt führt Spannung in der Nackenmuskulatur zu Spannung in den Kaumuskeln.

Die Körperhaltung

Ausführliches zum Thema Körperhaltung finden Sie unter dem Abschnitt Körperhaltung & Körperstatik. Hier gehen wir noch mal explizit auf die Position des Kopfes ein. Die Stellung Ihres Unterkiefers und damit die Frage ob Ihr Unterkiefer in die Gelenke hinein einen Kompressionsdruck ausübt hängt auch davon ab, ob Ihr Kopf im Verhältnis Ihrer Körperhaltung in der Lotlinie ist oder aus der Lotlinie heraus nach vorne verlagert ist.

Sie können einen kleinen Selbsttest durchführen. Legen Sie im Stehen Zeige- und Mittelfinger auf beiden Seiten auf die Nackenmuskulatur am Übergang vom Hals zum Kopf. Dann schieben Sie Ihren Kopf nach vorne und Sie sollten mit Ihren Fingern fühlen können, wie die Nackenmuskulatur sich verkürzt. Dann ziehen Sie Ihren Kopf wieder zurück während Ihr Kinn dabei gefühlt zum Brustbein wandert. Dabei sollten Sie fühlen können, wie sich die Nackenmuskulatur entspannt und dabei Länge hergibt.

Dann machen Sie einen zweiten Selbsttest ohne die Nackenmuskulatur zu tasten. Sie schieben Ihren Kopf wieder nach vorne aus der Lotlinie heraus und beißen leicht die Zähne zusammen. Dann ziehen Sie den Kopf wieder zurück in die Lotlinie und beißen noch mal die Zähne zusammen und sollten dann wahrnehmen können, dass sich Ihr Unterkiefer weiter vorne positioniert anfühlt.

Diese beiden Selbsttest verdeutlichen im Zusammenhang mit einer CMD die Wichtigkeit sowohl der aufrechten Körperhaltung, in der sich der Kopf  in der Lotlinie befindet, als auch einer entspannten Atlasmuskulatur, die bei Verspannung reflektorisch auf die Kaumuskulatur wirkt.
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