ISG - Beckenfehlstellungen

ISG - Die einseitige oder beidseitige Beckenfehlstellung  

Haben Sie ein verdrehtes Becken, verbunden mit Schmerzen oder können Ihr Bein nicht belasten ?

Haben Sie eine Beckenfehlstellung in Form einer Rotation und trotz Behandlung kommt die Problematik immer wieder ?

Ist eine Beckenfehlstellung Ihrer Meinung nach das Selbe wie ein Beckenschiefstand ?

So könnte man es meinen; therapeutisch sind beide voneinander jedoch klar zu unterscheiden.

Bei einem Beckenschiefstand sieht das Becken auch fehl gestellt aus, es bezieht sich jedoch auf das Becken als ganzes in Bezug zur horizontalen Ebene.
Bei einer Beckenfehlstellung ist das Verhältnis der beiden Beckenhälften zueinander relevant. Wenn eine Beckenfehlstellung vorliegt, sind die beiden Beckenschaufeln im Seitenvergleich zueinander unterschiedlich positioniert. Das hat häufig einen im Stehen sichtbaren Beckenschiefstand zur Folge. Ein solcher Beckenschiefstand muss aber nicht zwangsläufig folgen, da der Bewegungsapparat in der Lage ist, die einseitige Fehlstellung einer Beckenschaufel durch Muskelspannung optisch auszugleichen.

Genaugenommen kommt es bei Fehlstellungen einer Beckenhälfte, man sagt auch Beckenschaufel, immer zu einer Fehlstellung in 3 Ebenen. Die Fehlstellung ist also dreidimensional. Das kann für die Behandlungsreihenfolge wichtig sein, sprengt aber den Rahmen einer nachvollziehbaren Darstellung. Daher reduzieren wir die Beckenfehlstellung auf die 2 wesentlichen Arten.

Die Beckenstufe - Eine einseitig nach oben oder unten verschobene Beckenhälfte

In unserer Praxis für Physiotherapie in Hannover untersuchen wir eine eventuelle Beckenstufe klinisch. Das bedeutet durch Tastbefund, Stellungsuntersuchung und Tests bzw. Provokationstests von Bändern lässt sich eine Beckenstufe feststellen. Eine Beckenstufe ist auch in einem bildgebenden Verfahren gut zu sehen. Voraussetzung einer klaren Aussage ist allerdings, dass die Aufnahme in liegender Ausgangsstellung des Patienten angefertigt wurde. Im Stehen könnten muskuläre Kompensationen die Beurteilung erschweren. 

Zu einer Beckenstufe kommt es immer durch einen äußeren Einfluss. Dabei wird eine Beckenhälfte im Verhältnis zur anderen Seite nach oben oder unten verschoben und bleibt dort positioniert. Nach unserer Erfahrung löst sie sich nicht von allein und entsteht auch nicht ohne äußeren Einfluss. Bei dieser Art von Fehlstellung kann es zu einer Beeinträchtigung des Ileosakralgelenkes ISG, zu einer Fehlstellung des Kreuzbeines und zu einer Beeinträchtigung des Schambeingelenkes kommen. Bei einer solchen Fehlstellung geht man pauschal von einem Höhenunterschied von ca. 1cm aus. Da es die komplette Körperhälfte betrifft, sowohl absteigend als auch aufsteigend, muss der Bewegungsapparat erhebliche Kompensationsarbeit leisten. Selbst alle Organe können davon betroffen sein, da sie entweder um 1cm angehoben werden oder 1cm absinken können.

Man könnte meinen, dass ein erhebliches Maß an Kraft auf den Körper einwirken muss, um einen so großen Knochen zu verschieben. Entscheidend sind viel mehr die Faktoren der Schnelligkeit, der eigenen muskulären Stabilität und des Winkels der einwirkenden Kraft. Das soll an einigen Beispielen verdeutlicht werden:

Sie stürzen beispielsweise weil Sie mit dem Fuß irgendwo hängen geblieben sind. Ihr Körper fliegt weiter und die ganze Flugkraft wird über den Fuß gehalten, der Ihren Sturz abbremst. Sie waren an einer Unglücksstelle verletzt oder beim Sport im Wettkampf und jemand zieht plötzlich an Ihrem Bein um Sie wegzuziehen. In allen diesen Fällen, wenn Sie keine muskuläre Sicherung des Beckens durch entsprechende Spannung haben, kann dadurch die Beckenschaufel über den Zug am Bein nach unten gezogen werden. In der Praxis kommt die nach unten verschobene Beckenschaufel seltener vor als die nach oben gedrückte Beckenschaufel.

Sie stürzen und fallen ungebremst auf Ihr Gesäß. Wenn Sie mit einer Gesäßhälfte zuerst landen, kann der Winkel so ungünstig sein, dass dadurch Ihre Beckenhälfte nach oben verschoben wird.

Auch die Stabilität spielt eine Rolle. Mehr dazu finden Sie bei Instabilität bei CMD unter dem Menüpunkt craniomandibuläre Dysfunktion CMD. Angenommen Sie sind davon betroffen und die Funktion Ihrer stabilisierenden Muskulatur ist sehr schwach ausgeprägt. Dann könnte auch der Sprung von einem Stuhl, nach dem Sie auf nur einem Bein landen, ausreichend sein, trotz erfolgter Behandlung erneut eine Beckenstufe zu bekommen.
Vorweg zur Therapie: Diese Fehlstellung ist manualtherapeutisch behandelbar, allerdings abhängig von der bestehenden Dauer und der muskulären Schutzspannung nicht immer ganz einfach. Aber auch instabile Patienten haben nach unserer Erfahrung eine gute Chance, ein stabiles Behandlungsergebnis hinsichtlich einer wiederkehrenden Beckenstufe zu erreichen. 

Eine solche Fehlstellung kann manchmal diffuse und teilweise kaum erklärbare Symptome hervorrufen. Auch hierzu ein Beispiel:

Sie haben Schmerzen auf der Innenseite des Oberschenkels, fast alle Adduktorenmuskeln scheinen betroffen zu sein. Aber nicht nur das, Sie haben auch eine Schwäche in der gleichen Muskulatur und sogenannte Parästhesien. Das kann ein Brennen, ein Kribbelgefühl, Taubheitsgefühl und/oder auch eine Beeinträchtigung der Temperaturwahrnehmung oder des Berührungsempfindens am unteren Oberschenkel sein. Dieses Potpourri an Symptomen lässt den erfahrenen Physiotherapeuten an einen Bandscheibenvorfall denken. Allerdings gibt es keinen Nerv für dieses Ausstrahlungsareal, der direkt unter einem Wirbel entspringt und daher von einer Bandscheibe bedrängt werden könnte. In der Literatur wird dieses Problem als Romberg-Kniephänomen bezeichnet und kann auftreten, wenn der Nerv obturatorius komprimiert wird. Dieses periphere Nervenkompressionssymdrom bedeutet, dass der Nerv irgendwo in seinem Verlauf außerhalb der Wirbelsäule bedrängt wird, in diesem Fall möglicherweise aufgrund einer sogenannten Beckenstufe.

Für die Therapie einer Beckenstufe gibt es für den Physiotherapeuten zwei Herausforderungen:

Zum einen tritt die Beckenstufe selten isoliert auf. In den allermeisten Fällen finden wir in unserer Physiotherapiepraxis bei Patienten mit einer Beckenstufe auch eine einseitige oder beidseitige Verdrehung einer Beckenhälfte. Es kommt daher häufig vor, dass wenn eine Beckenhälfte nach oben oder unten verschoben ist, diese Seite gleichzeitig auch noch nach vorne oder hinten verdreht sein kann. Es handelt sich dann um ein komplexen Fehlstellungsbefund.

Die zweite Herausforderung besteht darin, unabhängig von einer Verdrehung herauszufinden, welche der beiden Beckenschaufeln von der Fehlstellung betroffen ist. Das ist für die Therapie von hoher Wichtigkeit, da der Physiotherapeut entscheiden soll, ob eine Beckenhälfte nach oben oder die andere Beckenhälfte nach unten mobilisiert werden muss. Aber auch dieses Problem ist mit entsprechender Erfahrung lösbar.

Eine Beckenstufe wird in der Regel als Erstes korrigiert, danach widmen wir uns therapeutisch der Fehlstellung in Form einer Verdrehung.

Die Beckenfehlstellung in Form einer verdrehten Position - rotiertes Ileum

Ileum ist der lateinische Begriff für Darmbein. Rotiertes Ileum heißt übersetzt verdrehtes Darmbein, für ein besseres Verständnis von uns Beckenschaufel genannt. Sofern eine Diagnose dafür vorliegt, ist für den Physiotherapeuten im Idealfall auch noch die Richtung, nach hinten oder vorne,  und die betroffene Seite angegeben. Das sind letztendlich auch die Informationen, die der Therapeut über eine entsprechende Untersuchung und verschiedene Tests herausfinden muss, um eine solche Fehlstellung korrigierend therapieren zu können.
Dazu gehören
  • die Verdrehung an sich und der Ausschluss einer Beckenstufe
  • die betroffene Seite und
  • die Richtung in der die Beckenschaufel verdreht ist.
Eine Verdrehung einer Beckenhälfte geht in der Regel mit einer Gelenkblockierung im Ileosakralgelenk ISG einher. Daher besteht die Therapie in einer Korrektur der Fehlstellung und gleichzeitig auch in einer Lösung der Gelenkblockierung.

Wie kann es zu einer Fehlstellung einer Beckenverdrehung (einseitig) oder sogar einer Beckenverwringung (beidseitig entgegengesetzt) kommen ?

Wie bei der Beckenstufe auch, ist im Grunde jedes Trauma, selbst wenn es nur ein stolpern sein sollte, in der Lage zu einer Beckenverdrehung zu führen. Auch das ruckartige Heben eines zu schweren Gewichtes kann zu einer Fehlstellung dieser Art führen. Sie kommt um ein vielfaches häufiger vor als eine Beckenstufe, da selbst Bagatellen dafür ausreichen, um zu einer solchen Beckenfehlstellung zu führen. Sehr oft ist es sogar so, dass es auch ohne äußeren Einfluss zu einer Rotationsfehlstellung des Beckens kommen kann, dann sprechen wir von einer funktionellen Beckenverdrehung. Das bedeutet, aufgrund einer anderen Ursache bleibt das Behandlungsergebnis nicht stabil, wobei diese Fehlstellung dann ein weitere Auslöser für erhebliche Beschwerden sein kann, die im Kapitel ISG-Blockierung weiter ausgeführt werden.

Hier einige Gründe, die dazu führen können, dass es immer wieder zu einem rezidiv, das heißt zu immer wiederkehrenden Beckenverdrehungen kommen kann.

Blockierung und/oder Fehlstellung bzw. Funktionsstörung
  • der unmittelbaren Nachbargelenke wie Hüftgelenk oder die Lendenwirbelsäule LWS
  • einer Kreuzbeinfehlstellung (Sacrumfehlstellung)
  • aller relevanten Beinachsengelenke (aufsteigende Kette)
  • der Fußwurzelknochen und Fußgewölbe
  • der Wirbelsäule im Allgemeinen
  • der Kopfgelenke
  • einer Atlasblockierung / Atlasfehlstellung
  • einer craniomandibulären Dysfunktion CMD
  • einer asymmetrischen Kieferfehlstellung
  • einer Steißbeinfehlstellung
  • muskuläre Instabilitäten des Beckens selbst oder des Beckenbodens
  • muskuläre Instabilitäten einzelner Wirbelsäulensegmente, insbesondere der Lendenwirbelsäule
  • Probleme mit Organbezug (osteopathisch)
  • eingeschliffene Fehlhaltungen oder Haltungsstörungen
  • ...
Für Ihren Physiotherapeuten stellt sich die Frage der Vorgehensweise, zumal die meisten der hier beschriebenen Therapieblockaden mit einer Rotationsfehlstellung im Becken in einer Wechselwirkung stehen - was ist also Henne und was ist Ei ?

Wenn die Beckenfehlstellung das Hauptproblem als Auslöser für Ihre Beschwerden darstellt, geht es einerseits darum, die übergeordnete Ursache zu finden. Vor allem aber ist es für eine Steigerung der Lebensqualität wichtig, Ihrem Körper in der Kompensationsfähigkeit zu unterstützen. Je besser Sie kompensieren können, desto länger können die schmerzfreien Intervalle nach der erfolgreichen Behandlung werden.

Wir arbeiten von der einfachen Therapie zur komplexen Problematik und von der schnellen Intervention zur aufwändigen Behandlung. Daher empfehlen wir meistens mit den Fehlstellungen und Blockierungen anzufangen, die gesichert sowohl durch Traumata entstanden sind und in der Regel nur 1x behandelt werden müssen. Dazu gehören meistens 
  • die Beckenstufe
  • die Atlasfehlstellung die Steißbeinfehlstellung
  • verrutschte Fußwurzelknochen.
Empfehlenswert kann auch schon der Beginn mit ausgewählten Übungen sein, um vorhandene muskuläre Instabilitäten selbst zu behandeln.

Alle weiteren therapeutischen Ansätze sind aufgrund Ihres höheren Aufwandes und abhängig von bis dahin erreichten Verbesserungen oder Veränderungen sehr individuell und von den weiteren Befunden abhängig.

Im Becken treffen sich gerne die aufsteigenden und absteigenden Ketten aus vorhandenen Funktionsstörungen und leider liegen vor allem bei chronischen Beschwerden davon oft mehrere vor.

Nach den Fehlstellungen widmet sich der nächste Menüpunkt der sogenannten ISG-Blockierung, denn fast immer geht eine Beckenfehlstellung auch mit einer Blockierung des Kreuz-Darmbeingelenkes einher...
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